Pädagogik kann jede(r) – oder?
Das Wort Pädagogik ist im deutschen Sprachgebrauch irreführend. Vielfach wird damit das Lehramt (oder relativ neu Kindergartenpersonal) verbunden. Doch auch in der Sozialarbeit kennzeichnet eine pädagogische Grundausbildung diese Profession. Die Arbeit mit und am Menschen – verpönt, schlecht bezahlt und von jedem und jeder ausführbar – so nur einige kursierende Mythen, die der vielschichtigen Berufsgruppe einen negativen Beigeschmack zuführen. Und damit auch die lange Ausbildung herabstellen. Mit den Studien aus einem Sozialbereich geht jedoch eine vielfältige Schulung einher und zeichnet ein weites, wertvol-les Handlungsfeld. Es folgt ein Porträt (aus der Sicht einer neutralen Pädagogin 😊)

Arbeitswelt | Lesedauer: 05 min | veröffentlicht am 20. Juni 2023
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Wer bildet Pädagoginnen & Pädagogen aus und worin?
Sozialberufe können in Österreich an Kollegs, Fachhochschulen oder Universitäten in Ba-chelor- oder Masterstudien erlernt werden (mitunter auch Doktorrat). Weiterführende Schu-len bilden fallweise Kindergartenpädagogen und Kindergartenpädagoginnen aus.
Bundeslandspezifische Unterschiede sind dabei zu beachten.
Wichtig: Nicht jedes Studium ist in jedem Bundesland gleich aufgebaut und kann daher nicht immer anerkannt werden. Es gibt jedoch die Möglichkeit, einzelne Lehrveranstaltungen nachzuholen.
Die Studiendauer beträgt zwischen vier und sechs Semestern, also zwei oder drei Jahren (Regelstudienzeit). Inhaltlich variieren die Studienrichtungen und es empfiehlt sich wirklich dringend, vorab die Lehrpläne durchzusehen.
Sozialpädagogik
Sozialpädagogik zum Beispiel meint vorwiegend die Arbeit mit
- Kindern,
- Jugendlichen und
- Familien als soziale Systeme.
Das heißt, die Rollen der einzelnen Mitglieder einer Familie wie auch die Familie selbst werden analysiert und gemeinsam mit der Familie gewünschte Veränderungen angestrebt.
Soziale Arbeit
Soziale Arbeit (Studium an Fachhochschulen) bildet etwas anders aus. Sie konzentrieren sich beispielsweise auf Rechtsfragen und den Umgang mit spezifischen Zielgruppen. Wer gerne in der Bewährungshilfe arbeiten möchte, (ich spreche aus Erfahrung), sollte Soziale Arbeit studiert haben.
Allen Studien im Rahmen des Sozialbereiches ist gleich, dass sie neben theoretischen Grundlagen über die Zielgruppe selbst, ebenfalls beispielsweise
- Gesprächsführung,
- Krisenmanagement oder auch
- Deeskalationsmethoden,
vermitteln und erproben.
Zentrales Element ist es, Menschen in schwierigen Lebensphasen zu verstehen und ihnen mittels professioneller Anleitung aus diesen herauszuhelfen. Dabei findet die Betreuung nicht einmalig statt, sondern ist viel eher darauf ausgelegt, Menschen soweit zu begleiten, bis sie stabilisiert sind und wieder alleine für sich selbst sorgen können.
Dieses Merkmal kennzeichnet den Sozialberuf.
Mit wem arbeite ich?
Mit sehr vielen unterschiedlichen Personengruppen.
Wer glaubt, Menschen, die sich am Rande der Existenz bewegen, stellen das Klientel der Sozialarbeit dar, irrt. Menschen sind unterschiedlich, genauso verhält es sich mit den Ziel-gruppen der Angebote.
Es gibt kaum einen Lebensbereich, in dem eine soziale Anlaufstelle nicht fungiert. Sie be-ginnt bei der Frühförderung und Familienentlastung. Wir finden sie in Schulen in Form der
- Schulsozialarbeit,
- Freizeitpädagogik oder
- Jugendcoaching.
Sie begleitet uns mit den Beratungszentren für (junge) Erwachsene zu
- Gesundheit,
- Bildung oder
- geschlechtsspezifischen Anliegen.
Soziale Einrichtungen sind eine Möglichkeit der Partizipation
Was bedeutet das?
Für betagte Menschen bedeuten soziale Einrichtungen eine Möglichkeit der Partizipation.
Das heißt, Alter ist keine Begründung, um nicht an dem Geschehen in der Gesellschaft teil-zuhaben. Der Umgang mit Mitmenschen ist für diese Altersgruppe immens wichtig, um auch geistig fit zu bleiben.
- Hausbesuche sowie das
- Aufsuchen von Krankenhäusern oder
- Alters- und Pflegeheimen fallen deshalb in die Kategorie der sozialen Handlungsfel-der.
- Trauerbegleitung und
- Telefonseelsorge sind nur zwei der unzähligen Angebote.
Immer mehr Einrichtungen bieten eigene Spezialisierungsmodule an. So können sich bran-chenfremde, aber auch sozial geschulte Personen Wissen aneignen und Weiterbildungen besuchen.
Notschlafstellen und Übergangswohneinrichtungen
Ein weites Feld stellen Notschlafstellen und Übergangswohneinrichtungen dar. Viele außen-stehende Personen kennen eben nur derartige Einrichtungen und verbinden leider deshalb negative Vorstellungen mit dem sozialen Bereich. Das ist ein Handlungsfeld, aber bei wei-tem nicht das einzige.
Grundsätzlich definiert die soziale Arbeit vorwiegend Niederschwelligkeit: Menschen erhal-ten rasche Hilfe ohne, dass umfassende Betreuung gewährleistet sein muss (trifft zum Bei-spiel auf Notschlafstellen zu, deren primäres Ziel es ist, Menschen eine Übernachtungsmög-lichkeit zu bieten).
Nicht alle Einrichtungen arbeiten nach diesem Prinzip. Die Re-Integration in die Gesellschaft schwingt als Ziel in der Betreuung mit, das heißt, Hilfesuchende erhalten dahingehend Un-terstützung. Ein Zusammenschluss von Einrichtungen, die sich auf unterschiedliche Problem-felder konzentrieren, ist dafür unabdingbar und ein weiteres Element des Sozialbereiches, die Vernetzung und intensive Kooperation zwischen den Einrichtungen.
Der Sozialbereich ist schwierig.
Natürlich, andere Menschen unterstützen zu können, beschert uns allen ein schönes Gefühl. Das Trinkgeld des Sozialwesens, wenn wir so wollen, sind dankbare Gesichter, die in eine positive Zukunft blicken. Doch, wie in allen Berufssparten, stoßen wir auf Hindernisse.
Da hätten wir zunächst die politische Sphäre. Soziale Einrichtungen kämpfen mit Kürzungen. Sie sollen mehr Menschen mit weniger Budget betreuen, bei gleichbleibender Qualität. Das kann nicht funktionieren. Das Versorgungsnetzwerk konzentriert sich oft auf Städte. Gibt es auf dem Land keine Probleme? Es fehlt an Betreuungsplätzen, Einrichtungen (vor allem im Bereich psychischer Erkrankungen), usw.
Auf der anderen Seite haben wir die Hilfesuchenden. Ich kann ihnen meine Hilfe anbieten, ob sie sie annehmen, ist etwas anderes. Viele Menschen versuchen, ihre Situation zu ver-bessern, brechen die Begleitung jedoch plötzlich ab und kehren in ihr altes (nicht immer leichtes) Leben zurück. Eine gewisse Machtlosigkeit seitens der sozialen Fachkräfte bleibt zurück.
Die Arbeit kann, je nach Zielgruppe, auch gefährlich sein. Wenn Menschen nicht adäquat (medizinisch) betreut werden. Übergriffe stellen daher ein Gefahrenpotenzial dar (wenn auch ein selteneres).
Und nicht immer trauen sich Menschen, eine Einrichtung zu kontaktieren.
Die Angst vor Hilfe und Stigmatisierung
Ich habe bereits die Hilfsangebote vorgestellt und die Vielfalt gelobt. Warum kann es also sein, dass in Österreich ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung armuts- oder ausgrenzungs-gefährdet ist?
Weil die Offenbarung eines Problems Stigmatisierung (jemanden aufgrund einer „negati-ven“ Eigenschaft zu meiden) und soziale Ausgrenzung bedeutet.
Wir neigen dazu, gewisse Phänomene (Obdachlosigkeit oder bestimmte Erkrankungen) mit Etiketten zu versehen, sie schlecht zu reden und zeigen damit kaum Verständnis für diese wichtigen Problemlagen. Was bedeutet diese negative Bild für eine Person, die aufgrund einer Problematik professionelle Hilfe bräuchte? Wenn ich mich offenbare, laufe ich Gefahr, beispielsweise Freunde zu verlieren. Würdest du das riskieren wollen?
Es kann jeden und jede treffen.
Bedürftigkeit kennt kein Alter oder Geschlecht. In eine (scheinbar) unlösbare Situation, die einer geschulten Hilfe bedarf, kann jeder und jede von uns geraten. Viele Personen haben Angst vor der Offenbarung ihrer Probleme. Der Mensch steht in der heutigen Gesellschaft unter Druck, funktionieren zu müssen. Menschen sind austauschbar, Fehler kann man sich nicht erlauben. Personen ignorieren Probleme und hoffen, sie lösen sich von selbst, bis sie irgendwann von ihnen überrannt werden. Es genügt oft nur eine Kleinigkeit und wir befinden uns in einer Abwärtsspirale.
Warum wenden sich Menschen nicht eher an soziale Einrichtungen?
Weil sie damit Gefahr laufen könnten, ihren guten Ruf und ihre Stellung in der Gesellschaft zu verlieren. Weil es schwierig ist, sich einzugestehen, dass man Hilfe braucht und um sie zu bitten. Doch gerade das ist menschlich und steht uns allen zu. Dafür gibt es Anlaufstellen und soziale Einrichtungen. Damit man einander helfen kann.
Genau das soll der Sozialbereich bewirken. Sozial zu arbeiten, bedeutet zu helfen, nicht Al-mosen zu verschenken. Es bedeutet, Menschen das Vertrauen in sich selbst (wieder) zu ge-ben. Indem der Mensch, mit Unterstützung, an sich selbst arbeitet.
Wir fassen zusammen
Warum brauchen wir soziale Angebote?
Weil es Probleme gibt. Weil man es nicht immer aus eigener Kraft schafft. Weil jeder Mensch zählt.
Unsere Gesellschaft wird in vielen sozialen Bereichen vom Ehrenamt getragen. Außenste-hende fragen sich oft: „Was macht Sozialarbeit“?
Eine Definition ist schwierig, die Arbeit konzentriert sich auf die Begleitung und Betreuung von Menschen in schwierigen Lebensphasen. Diese sollen die Chancen bekommen, mit pro-fessioneller Unterstützung ihr Leben bestmöglich zu meistern, um weiter in der Gesellschaft teilhaben zu können. Das „Ergebnis“ ist nicht immer offensichtlich, doch für Adressaten und Adressatinnen immens wichtig.
Die Gesellschaft fordert soziales Engagement in Form von Zivildienst ein. Feuerwehr und Rettung funktionieren vorwiegend nur mithilfe von ehrenamtlichen Mitarbeitern und Mitar-beiterinnen. Ohne eine freiwillige Verpflichtung würde der Staat sich mit einer hohen, fi-nanziellen Belastung konfrontiert sehen. Menschen helfen Menschen, weil sie es wollen, weil sie es möchten. Weil es richtig ist.